Fast bin ich geneigt, zu sagen: «Coronavirus sei Dank». Women Travel recherchiert Frauenorte in der Schweiz. So führte mich meine aktuelle Rekoreise ins Val Poschiavo – und da zu Claudia, zu Lucia, zu Donatella und weiteren kreativen Frauen. Sie leben im südlichen Bündnertal, das sich zu 100% Bio verschrieben hat, sie bearbeiten Kräuter, betätigen sich in der Pferdezucht, trocken Teeblätter, machen Yoga oder produzieren Naturseife. Jung und alt – herrliche Ideen entstehen. Z.B. in der Tessitura Valposchiavo.
Auf dem Dorfplatz steht ein Brunnen und ich setze mich auf einen alten Mühlestein, um auszuruhen und dem Wasserplätschern zuzuhören. Die Weberei ist über Mittag geschlossen, ich warte, bis die Kirchenuhr 1.30h schlägt. Die Weberinnen und Museumsmacherinnen empfangen mich. Mitten im Raum steht eine wunderschöne Handwebmaschine, Donatella wirft die Spuhle zwischen den Fäden durch. Es tönt heimelig und ist heimelig in der tiefen Stube mit Holz und Stein. Hier entstehen Praktisches wie die Handtüchlein für zu Hause, aber auch elegante Kleidung im Leinenstil, Abwaschtücher, Meterstoffe. Die Weberin erzählt von ihrer Ausbildung, von den Wünschen und Hoffnungen. Eigentlich könnte mehr verkauft werden, aber die Menschen aus der Stadt wissen nicht genau, was eine handgesponnene, handgewobene Leine wert ist und dementsprechend kostet. So verpassen es einige Besucherinnen, die schönen Textilien einzukaufen.
Ich begehe mich nun ins benachbarte Museum mit der aktuellen Hexen-Ausstellung. Das Museo Poschiavino widmet der Geschichte der Hexenverfolgung und -prozesse diese temporäre Ausstellung. «Hexen» sind die Frucht eines kollektiven Unbewussten. Während gut zwei Jahrhunderten jagte die Puschlaver Justiz «Hexen» und verurteilte mindestens 130 Unschuldige, zum grossen Teil Frauen, aber auch Männer. Historische Dokumente, Rekonstruktionen und multimediale Elemente erlauben eine Annäherung an eine Epoche, die bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts dauerte. Eine zwiespältige Epoche, die einerseits grosse Fortschritte in Kunst und Wissenschaft verzeichnet, andererseits aber stark von Aberglauben und Vorurteilen geprägt war.
Infos: Beide Orte sind im Palazzo De Bassus Mengotti, Poschiavo zu finden. Öffnungszeiten vor dem Besuch abklären, die Hotels helfen gerne.
Mehr Infos fürs ganze Tal: https://www.valposchiavo.ch/de/
14. September 2020